Gott angesichts des Bösen, gleichsam, dieses ein Zitat von Kant, gleichsam vor dem Gerichtshof
der Vernunft in der Welt zu entschuldigen und zu rechtfertigen, ist das Anliegen der
Theodizie. Die Aufgabe abstrakte Theodizie ikonografisch als Emblem, als Allegorie,
als strukturierte Narration aufzuarbeiten und formal zu inszenieren, übernimmt
seit jeher die Literatur. Die Parallelen zwischen Theodizie und Literatur liegen
auf der Hand. Das Wort Gottes und das Wort des Dichters werden in eins gesetzt.
Die Strukturverwandtschaft des Schöpfergottes der Welt wird analog für
die des Alter Deus des Sprachkunstwerkes ersichtlich. Der universalen Metapher des
Libanature, also des Buches der Natur, steht das Buch des menschlichen Schöpfers
an der Seite und die Soteriologie, also die christliche Heilslehre, findet nicht
selten in der Plotgestaltung und der Konzeption der sogenannten poetischen
Gerechtigkeit irdischer Autoren eine Entsprechung. Textstruktur garantiert
Sinnhaftigkeit. Aus dem wohlproportionierten Aufbau des Textes kann
auf einen dahinter wirkenden Geist irdischer oder göttlicher Provenienz
geschlossen werden. Sinnentwurf und Planhaftigkeit werden als
Gegenkonzept zur Koinzidenz und zur Kontingenz instrumentalisiert.
Naturbetrachtung und Philologie initiieren Indizienprozesse aus denen die
theologischen und philosophischen Advokaten Gottes ein Gottesbeweis
rekonstruieren. Literatur und Theodizee, dieses Verhältnis kann zumindest für
einige Epochen der Literaturgeschichte zur These von der Literatur als Theodizee
umgedeutet werden. Diese besondere Funktion der Literatur als Gottesbeweis
wird gelegentlich auch als poetische Theodizee bezeichnet. Das ausgerechnet
das 18. Jahrhundert den Diskurs über die Theodizee kultivierte, wird durch die
revolutionären Entwicklungen in der Wissenschaftsgeschichte und
Philosophiegeschichte des unmittelbar vorausgehenden der Epoche erklärbar,
nämlich der Aufklärung. Vor allem Erkenntnisse auf dem Gebiet der
Astronomie hatten im 17. Jahrhundert traditionelle Sichtweisen des Kosmos
kollabieren lassen. Die Stellung des Menschen innerhalb des Universums und die
Rolle Gottes verlangt nach einer neuen Bestimmung. In diese paradoxe Situation
geprägt von aufgeklärten, rational ausgerichteten modernen Denken, dass sich
den Lehren eines René Descartes, Jean Locke und David Hume verpflichtet fühlt und
einer im Glauben an antike verharrende Sichtweise, die dem historischen Paradigma
des Linearen verfalls huldigt, ist auch der exemplarische Streit anzusiedeln, von
denen ich Ihnen heute berichten möchte. Somn Genens, a free inquiry into the
origin and nature of evil. Genens Schrift und Johnsons Rezension dieser
Schrift markieren präzise die beiden in der Zeit vorfindbaren polarisierten
Positionen zur Frage der Rechtfertigung des Übels in der Welt. Somn Genens ist
heute überhaupt nur noch wegen seiner Auseinandersetzung mit Johnson in der
Literaturgeschichte bekannt. Er wurde 1704 als Sohn eines Gutsbesitzers in der
Nähe von Botticham in Cambridgeshire geboren. Nach einem Universitätsstudium ohne
Abschluss erbte Genens 1740 das Gut seines Vaters und begann kurz darauf eine
Karriere als Politiker und Protégé von Lord Chancellor Hardwick. Genens nunmehr
ein wohlhabender Mann, wirkte als Parlamentsmitglied und wurde 1755 zum
Lord Commissioner of Trade and Plantations ernannt. Nach dem Ende seiner
politischen Karriere zog er sich zurück und widmete sich ganz sein literarischen
Interessen. Aus der Zeit sind eigentlich nur zwei
Gedichte noch bekannt, The Modern Fine Lady und The Modern Fine Gentlemen, die
beide satirischen Charakter haben. Die jokoserische Ausrichtung seiner lyrischen
Werke, damit es also gemeint einmal humorvoll, andererseits seriös, führte
dazu, dass die Inquiry zum Zeitpunkt ihres Erscheinens 1757 für Verwirrung
Presenters
Prof. Dr. Rudolf Freiburg
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:27:25 Min
Aufnahmedatum
2002-07-04
Hochgeladen am
2017-07-04 16:09:02
Sprache
de-DE